Vokalensemble „Josquin des Prés“ – 23.11.2019 / 19:30 Uhr

Konzert des Vokalensembles Josquin des Prés
am Samstag, 23. November 2019, um 19:30 in der Herz Jesu-Kirche
(Katholischer Kirchenplatz, Erlangen).
Der Erlös des Konzertes kommt dem Orgelneubau zu Gute!

Weitere Informationen unter:
http://www.josquin-ensemble.de/

(Auszug aus dem aktuellen Newsletter des Vokalensembles Josquin des Près)

Konzert …::… Vier Elemente: ERDE

Gen 1,1
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr,
Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem
Wasser.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Freundinnen des
Vokalensembles Josquin des Près,

unser diesjähriges Herbst-Thema gibt uns Gelegenheit, den verschiedenen
Facetten des Elements Erde nachzugehen und Ihnen eine möglicherweise
zum Diskurs anregende Zusammenstellung zu präsentieren.

ERDE werden wir betrachten als Gegenstand der göttlichen Schöpfung, als
Bestandteil des Universums, als Pendant zum schwerelosen Himmel, als
Symbol der Niedrigkeit und Demut (vgl. humus – humilitas), als Mahnung
zur Bodenständigkeit, als elementares Zeichen der Vergänglichkeit.

Erdige Klänge formen sich im 2. Vesperpsalm der Allnächtlichen Vigil
Sergej Rachmaninovs, entstanden 1915 unter dem Eindruck des 1.
Weltkrieges. Die Textgrundlage bilden Passagen aus Psalm 104, eines
sogenannten Schöpfungspsalms, eines Loblieds auf den Schöpfer: „Lobe
den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, wie groß bist du! …Herr, wie
zahlreich sind deine Werke, mit Weisheit hast du sie alle gemacht!“.
Ein warm timbriertes Alt-Solo zitiert einen griechisch-orthodoxen
Kirchengesang und wird getragen von kompakten, langgezogenen
Chorakkorden. Die erhabene Schwere wurde in der Originalanweisung noch
unterstrichen von den Kirchenraum durchziehenden Weihrauchschwaden.

Eine ideale Ergänzung hierzu stellt Josquins Vertonung von Psalm 8 im
Domine, Dominus noster dar. „…Wenn mein Auge sieht der Himmel Pracht,
herrliches Werk deiner Hände, Mond und Sterne: Was ist der Mensch, dass
du seiner gedenkst? Alles hast du ihm zu Füßen gelegt: All die Schafe
und Rinder, die wilden Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die
Fische des Wassers… Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen
Erde!“ Ein polyphones Juwel aus der Feder des Renaissancekomponisten,
Appell an die Würde und die Verantwortung des Menschen zugleich.

Josquins prachtvolle Weihnachtsmotette Praeter rerum seriem legt
Orlando di Lasso seinem Magnificat zugrunde. Der Lobgesang Mariens fügt
sich thematisch und theologisch in unser Programm ein: „… denn auf
die Niedrigkeit seiner Magd hat er gesehen… denn er hat große Dinge
an mir getan.“ Die Freude über die Menschwerdung Gottes, die Erdung des
Himmels gestaltet Lasso in hochvirtuoser Stimmführung.

Rose Ausländers Lichtkaft formuliert es so:

Aus dem Himmel
eine Erde machen
aus der Erde
einen Himmel
wo jeder
aus seiner Lichtkraft
einen Stern ziehen kann.

Dem vermutlich berühmtesten Komponisten des 16.Jahrhunderts stellen wir den finnischen Zeitgenossen Einojuhani Rautavaara gegenüber, dem wir eine packende und bildreiche Interpretation des Magnificat für gemischen Chor verdanken. Aus seinem 1979 entstandenen Werk hören Sie Teil 2 (quia respexit humilitatem) und Teil 3 (fecit potentiam).

Die Erde als Planet des Sonnensystems, als profaner Kontrast zum
theologischen oder metaphyischen Himmel führt uns zu einer Trilogie von
Werken, die unser Thema auf völlig andere Weise umkreisen, beleuchten
und vielleicht schärfen.

2008 erschien die Sunrise Mass des Norwegers Ola Gjeilo. Das Kyrie
daraus wird übertitelt mit The Spheres und ist der einzige
A-cappella-Teil dieser Orchester-Messe. Langsam sich entwickelnde, auf-
und abschwellende Akkordüberlappungen lassen einen dichten, sphärischen
Klangteppich entstehen, bevor zwei homophone, crescendierende Cluster
eine an Frank Martins Messe für Doppelchor erinnernde Schlussphrase
einläuten.

Dem größen Planeten unseres Sonnensystems stellt sich Michael Ostrzyga.
Mit Iuppiter ist ein faszinierendes Schwergewicht aktueller Chormusik
entstanden.

Auch vorchristliche Kulturen suchten Erklärungen für Metaphysisches,
Unerklärliches, Überirdisches, hatten das Bedürfnis nach einem
Adressaten für Wünsche und Bitten. Juppiter steht damit als
mythologisches Symbol für das Streben des Menschen nach Höherem, aus
der irdischen Beschränktheit, aber auch für die Gefahr profaner
Verblendung (oder Hoffart) und Veräußerlichung, der Anbetung des
„goldenen Kalbes“.

Ostrzyga verschränkt dazu verschiedene lateinische Kultbeinamen
Juppiters mit verwandten Begriffen und Namen anderer alter Sprachen
sowie Fragmenten der katholischen Liturgie wie z.B. der Pfingstsequenz
– ein durchaus provokantes, vielstimmiges Gewebe, das in der vermutlich
singulären Aufführungsanweisung gipfelt: „grandioso, marcanto e
pesante / mit Größenwahn zu singen“. Ein letztlich fragwürdiges
Höher-Schneller-Weiter.

Was wäre darauf eine passende Antwort? Womit könnte man den Größenwahn, die Hoffart, die haltlose Profanisierung kontern?

In theologischer Sicht bietet das Magnificat eine gelungene Erwiderung.
(siehe Teil 3: fecit potentiam in brachio suo, dispersit superbos mente
cordis sui = er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig
sind in ihres Herzens Sinn oder Teil 2: quia respexit humilitatem
ancillae suae=auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er gesehen).

In poetischer Sicht rücken William Blakes berühmte Anfangsverse seines
Gedichtes Auguries of Innoncence unseren Blick zurecht, lenken ihn auf
den Zauber des Irdisch-Endlichen im Wunder eines Sandkorns und
inspirierten den im Juni diesen Jahres verstorbenen schwedischen
Komponisten Sven David Sandström zu seinem To see a world in a grain of
sand:

„Die Welt zu sehn im Korn aus Sand
Das Firmament im Blumenbunde
Unendlichkeit halt in der Hand
Und Ewigkeit in einer Stunde.“

Vom größten Planeten zum Sandkorn, vom Menschen zum Staubkorn. Von dort
zum Anruf Gottes um Beistand in der letzten Stunde führt uns Krzystzof
Pendereckis In pulverem mortis aus seiner Lukas-Passion: Du legst mich
in den Todes Staub… Du aber, Herr, halte dich nicht fern und eile mir
zu Hilfe! Die drei-chörige, expressive Klage verzichtet auf jeden
Wohlklang und konfrontiert uns mit der unabänderlichen irdischen
Endlichkeit.

Damit korrespondiert Benjamin Rimmers In the shining blackness.
Dem zu Boden drückenden, tiefdunklen Text des Tschechen Jiri Glaser,
der 1940 achtzehnjährig als Jude nach England fliehen musste, setzt der
junge englische Komponist eine eindringliche, aller Hoffnungslosigkeit
trotzende Tonsprache entgegen – tatsächlich ein Werk von schimmerndem
Schwarz.

Rainer Maria Rilkes Herbst relativiert die Schwere der Erde und
entlässt Sie, hoffentlich mit einem Lichtblick, aus diesem Newsletter:

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh` dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.